Das BAG stellt klar: Das Weisungsrecht nach § 106 GewO ist nicht auf Deutschland begrenzt. Eine dauerhafte Versetzung ins Ausland kann einseitig angewiesen werden, wenn dies dem Arbeitnehmer zumutbar ist.
Unter einer Versetzung unter Berufung auf das Weisungsrecht versteht man üblicherweise:
- die Zuweisung neuer Arbeitsaufgaben, die von bisherigen Aufgaben erheblich abweichen, und/oder
- die Zuteilung zu einer anderen Betriebsabteilung, und/oder
- die Zuweisung eines weit entfernten neuen Arbeitsortes, insbesondere in einer anderen Stadt,
- wobei solche Maßnahmen weiterhin von einer gewissen Dauer sein müssen, d. h. für mindestens 1 Monat Gültigkeit haben oder bis auf weiteres gelten müssen (d. h. eine „Versetzung für einen Tag“ gibt es nicht).
Bislang war streitig, ob der Arbeitgeber seinen Wunsch, einen Arbeitnehmer für längere Zeit (> 1 Monat) im Ausland an einem internationalen Standort zu beschäftigen, über das Weisungsrecht nach § 106 GewO im Rahmen einer Versetzung regeln konnte. Es mussten teilweise sehr komplizierte Konstrukte vereinbart werden, damit ein Mitarbeiter im Ausland z. B. im Rahmen eines Entsendevertrages neben dem weiterhin bestehenden Inlandsarbeitsvertrag oder im Rahmen eines ruhenden Arbeitsverhältnisses mit dem Inlandsarbeitgeber und einem zeitlich befristeten ausländischen Versetzungsvertrag beschäftigt werden konnte.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun eine Grundsatzentscheidung für die Versetzungsmöglichkeit ins Ausland getroffen.
Der Arbeitgeber kann aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts den Arbeitnehmer anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten, wenn nicht ausdrücklich oder den Umständen nach konkludent etwas anderes vereinbart worden ist. § 106 GewO begrenzt das Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland.
Selbstverständlich muss die Maßnahme als solche dem Arbeitnehmer zumutbar sein und unterliegt einer Billigkeitskontrolle.
Im vom BAG entschiedenen Fall wehrte sich ein Pilot, der bei einer Tochterfirma der irischen Fluggesellschaft Ryanair beschäftigt war, gegen seine dauerhafte Versetzung von Nürnberg, wo die Fluggesellschaft ihre Station schloss, zum Flughafen im italienischen Bologna. Er wollte die Rücknahme der Versetzung nach Italien erreichen, denn er musste dadurch auch eine Gehaltseinbuße von einigen zehntausend Euro in Kauf nehmen. Im Arbeitsvertrag des Klägers war vereinbart gewesen, dass er auch an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden könne. Die arbeitsvertraglich geregelte Vergütung wäre grundsätzlich unberührt geblieben. Allerdings gab es in dem Fall die Besonderheit, dass der Tarifvertrag, der die Vergütung regelte, nur für Arbeitnehmer mit einer Beschäftigung innerhalb Deutschlands galt.
Das BAG erklärte, dass die Versetzung im Rahmen einer unternehmerischen Entscheidung erfolgt sei, die Homebase am Flughafen Nürnberg aufzugeben. Damit sei die Möglichkeit, den Kläger dort zu stationieren, entfallen. Beschäftigungsmöglichkeiten an einem anderen inländischen Stationierungsort habe es nicht gegeben, daher seien alle am Flughafen Nürnberg stationierten Piloten an einen Standort in Italien versetzt worden. Die Weisung des Beklagten lasse den Inhalt des Arbeitsvertrags, insbesondere das arbeitsvertragliche Entgelt, unberührt. Dass der Kläger den Anspruch auf das höhere tarifliche Entgelt verliere, liege an dem von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Geltungsbereich des Vergütungstarifvertrags, der auf die in Deutschland stationierten Piloten beschränkt sei. Zudem sehe der Tarifsozialplan vor, dass Piloten, die an einen ausländischen Stationierungsort verlegt würden, zu den dort geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere den dortigen Tarifgehältern, weiterbeschäftigt werden. Es sei auch nicht unbillig, wenn die Beklagte mit der Versetzung verbundene sonstige Nachteile des Klägers, der seinen Wohnort Nürnberg nicht aufgeben wolle, finanziell nicht stärker ausgleiche, als im Tarifsozialplan vorgesehen sei.
Diese Entscheidung des BAG ist zu begrüßen und erleichtert unter bestimmten Umständen den Auslandseinsatz von Mitarbeitern sehr. Voraussetzung für die Versetzung ins Ausland kraft Weisungsrechts ist aber, dass im Arbeitsvertrag eine wirksame Versetzungsklausel und keine ausdrückliche Beschränkung auf das Inland vereinbart ist.
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