Übersicht über Praxisbeispiele für das Vorliegen von zwingenden betrieblichen Gründen, die gegen ein Angebot zur Homeoffice-Arbeit sprechen.
Bereits am 25. Januar 2021 berichtete grosshandel-bw über Fakten zu den neuen Homeoffice-Regeln, welche seit dem 27. Januar 2021 in Kraft getreten sind. Der Artikel ist hier nachlesbar.
Darin berichtete grosshandel-bw unter anderem, dass Arbeitgeber bis zum 15. März 2021 gemäß § 2 Abs. 4 der SARS–CoV-2-Arbeitsschutzverordnung grundsätzlich zu einem Angebot einer Homeoffice-Beschäftigung verpflichtet sind, sofern es sich um „Büroarbeiten oder vergleichbare Tätigkeiten“ handelt. Ausnahmen von dieser Pflicht sollen dort möglich sein, wo zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. Zu der wichtigen Frage, wann diese zwingenden betriebsbedingten Gründe vorliegen, schweigt sich die Verordnung jedoch leider aus.
Das bayrische Staatsministerium für Arbeit und Soziales gab nun, in Zusammenarbeit mit den Kollegen der benachbarten Verbände, Bayerische M + E Arbeitgeber (bayme vbm) sowie Die bayerische Wirtschaft (vbw), folgende Handlungshilfe und Praxisbeispiele für das Bundesland Bayern heraus:
„Zwingende betriebsbedingte Gründe liegen grundsätzlich vor, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung im Home-Office aus Gründen
- der Arbeits- und Betriebsorganisation oder
- der Arbeits- und Betriebsabläufe oder
- der Datensicherheit oder
- der Arbeitssicherheit / Mitarbeitergesundheit oder
- wegen unverhältnismäßiger Kosten
ausscheidet.
Beispielsfälle zu 1.
Aufrechterhaltung der Arbeits- und Betriebsorganisation
- Betrieblich notwendige und plausible Mindestbesetzungen in Bereichen und Abteilungen zur Erreichung des unternehmerischen Zwecks, wie z. B. in − Ausbildung
- Personalabteilung
- Finanz und Rechnungswesen
- Einkauf/Disposition
- Konstruktion und Entwicklung
- Produktionsnahe Tätigkeiten, wie z. B. − Materialausgabe, Reparatur- und Wartungsaufgaben
- Hausmeisterdienste und Notdienste
- Planung, Versorgung, notwendige Unterstützung der Fertigung
- Qualitätssicherung
- Logistik
- Mit der Bürotätigkeit verbundene Nebentätigkeiten, wie z. B. − die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post
- die Bearbeitung des Warenein- und ausgangs
- Schalterdienste bei weiterhin erforderlichen Kunden- und Mitarbeiter- kontakten
Beispielsfälle zu 2.
Aufrechterhaltung der Arbeits- und Betriebsabläufe
- Betriebsabläufe zur Sicherstellung eines reibungslosen Fortgangs
- Innerbetriebliche Dienstleistungen
- Bedienung der technischen und sachlichen Ausstattung des Betriebes, wobei dargelegt werden muss, warum die Tätigkeit nicht (ggf. teilweise) zu Hause erbracht werden kann. Insoweit ist jedoch eine Einschätzungsprärogative des Arbeitgebers anzuerkennen, wie z. B. − Konstruktionsabteilungen mit mehreren großen Bildschirmen
- Plantafeln in der Arbeitsvorbereitung
- Drucker zur Erzeugung von Auftragsunterlagen
Beispielsfälle zu 3.
Datensicherheit
- Vermeidung von Cyberattacken und Industriespionage
- Verwendung ungesicherter Schnittstellen im Home-Office
- Sicherheitsrisiko im Home-Office, z. B. − fehlende Verschlüsselungssysteme, soweit die Beschaffung einen unverhältnismäßigen Aufwand für den Arbeitgeber bedeuten würde, andernfalls gilt dies nur vorübergehend
- fehlende technische und /oder räumliche Voraussetzungen
- Schutz der Daten
Beispielsfälle zu 4.
Sicherheit im Betrieb, Gesundheitsschutz im Betrieb
- Aufrechterhaltung von Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb (z. B. Ersthelfer, Sicherheitsbeauftragte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Brandschutzhelfer, etc.)
- Sicherheitsrelevante Bereiche (z. B. beim Betrieb von Anlagen mit ionisierenden Strahlen, etc.)
Beispielsfälle zu 5.
Unverhältnismäßige Kostenbelastung des Arbeitgebers
- Anschaffung der technischen Voraussetzungen ist mit extrem hohen Ausgaben verbunden (Fehlen eines geeigneten IT-Systems, fehlende VPN-Zugänge, etc.). − Entscheidend ist hierbei eine massive Kostenbelastung für die Beschaffung von Hardware, Software, etc., die für den Arbeitgeber nicht zumutbar ist.
- Die bloße Entstehung von Kosten durch die Anschaffung von Kommunikationseinrichtungen für das Home-Office ist systemimmanent und kann daher nicht als zwingender betrieblicher Grund angeführt werden.
- Während notwendiger Beschaffungsfristen besteht keine Verpflichtung zum Angebot von Home-Office, soweit ein nachvollziehbares Beschaffungskonzept vorliegt.
- Die Anschaffung der technischen Voraussetzungen für das Home-Office kann eine unverhältnismäßige Belastung für Betriebe bedeuten, die (bereits durch die Auswirkungen der Pandemie) in ihrer Existenz konkret bedroht sind.“
Die Inhalte dieser Handlungshilfe sind nicht verbindlich für Baden-Württemberg, dennoch dienen sie vorerst als erste Orientierungshilfe.
grosshandel-bw und die Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände wollen eine vergleichbare Abstimmung mit dem zuständigen Ministerium in Baden-Württemberg treffen.
Über weitere Entwicklungen zu diesem Thema wird grosshandel-bw berichten.
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