Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass auch bei einem unentgeltlich vereinbarten Praktikum eine Vergütungspflicht besteht, wenn über den Rahmen des Praktikums hinaus höherwertige Dienste verrichtet werden. Dem stehe auch § 22 Abs. 1 MiLoG nicht entgegen.
Dies erschwert über das Mindestlohngesetz hinaus zusätzlich die Möglichkeit für Arbeitgeber, unentgeltliche Praktika anzubieten. Der Arbeitgeber riskiert dabei, dass eine Vergütungspflicht auch im unentgeltlichen Praktikum ausgelöst wird, wenn der Praktikant „höherwertige“ Tätigkeiten verrichte, als im Praktikantenvertrag vereinbart wird.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Klägerin für Tätigkeiten ein Entgelt verlangen kann, die sie im Rahmen eines Praktikums als Psychotherapeutin in der Ausbildung in der Klinik der Beklagten verrichtet hat. Die Parteien einigten sich auf ein unentgeltliches Praktikum. Die Klägerin leistete dieses im Rahmen ihrer Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin nach dem Psychotherapeutengesetz (PsychThG). Im Rahmen dieses Praktikums erledigte sie regelmäßig in der Größenordnung von zwei Tagespensen in der Woche Testungen und therapeutische Tätigkeiten in wirtschaftlich verwertbarer Art und Weise. Die Arbeiten und die Auswertung der Ergebnisse wurden ohne Überwachung oder Beaufsichtigung seitens der Beklagten eigenverantwortlich ausgeführt. Solche Arbeiten wurden bei der Beklagten auch von fertig ausgebildeten und fest angestellten Psychotherapeuten durchgeführt. In den letzten acht Monaten führte die Klägerin Einzeltherapiestunden selbständig und ohne Aufsicht oder individuelle Nachbesprechung durch und übernahm vertretungsweise Therapiestunden der fest angestellten Psychotherapeutinnen. Die einzig spezifische Ausbildungsaktivität der Beklagten bestand in den alle sechs bis acht Wochen durchgeführten Gruppensupervisionsterminen.
Die Klägerin hat Klage erhoben auf Bezahlung ihrer über das Praktikum hinausgehenden Tätigkeiten in Anlehnung an die Vergütung von festangestellten Psychotherapeuten. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten war nicht begründet.
(BAG, Urteil v. 10.02.2015 – 9 AZR 289/13)
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