ArbG Bonn: Nicht ohne Weiteres müssen Urlaubstage gem. § 9 BUrlG zurückgewährt werden, wenn sich die Betroffenen während ihres Urlaubs coronabedingt in Quarantäne begeben müssen.
Das Arbeitsgericht Bonn bestätigt die Rechtsauffassung und Beratung durch grosshandel-bw:
infizieren sich Arbeitnehmer*mit Corona und müssen sie während ihres Urlaubs in Quarantäne, müssen die Urlaubstage nicht zurückgewährt werden, sofern nicht zugleich eine Arbeitsunfähigkeit (nachweislich) vorliegt.
Worum ging es in dem Rechtsstreit?
Der Arbeitnehmerin wurde für den Zeitraum vom 30. November bis 12. Dezember 2020 Erholungsurlaub gewährt. Aufgrund einer Infektion mit dem Coronavirus musste sie sich auf behördliche Anordnung in der Zeit vom 27. November 2020 bis 7. Dezember 2020 in Quarantäne begeben. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lag für diesen Zeitraum nicht vor. Die Arbeitnehmerin klagte sodann auf Nachgewährung von fünf Urlaubstagen.
Wie hat das ArbG Bonn entschieden?
Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung begründete das Gericht damit, dass die Voraussetzungen des § 9 BUrlG für die Nachgewährung von Urlaubstagen nicht vorlägen. § 9 BUrlG bestimme, dass bei einer durch ein ärztliches Attest nachgewiesenen Erkrankung die Arbeitsunfähigkeitstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet würden. Die Klägerin habe ihre Arbeitsunfähigkeit jedoch nicht durch ein ärztliches Attest nachgewiesen.
Eine behördliche Quarantäneanordnung stünde einem ärztlichen Zeugnis über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich. Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers obliege allein dem behandelnden Arzt und keiner Behörde.
Eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG scheide bei einer behördlichen Quarantäneanordnung aus. Es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein mit einer Arbeitsunfähigkeit vergleichbarer Sachverhalt vor. Eine Erkrankung mit dem Coronavirus führe dort, wo die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem sog. Homeoffice möglich ist, nicht zwingend und unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit.
Die Entscheidung des Arbeitsgericht Bonn ist noch nicht rechtskräftig. Dieser Auffassung folgt auch das Arbeitsgericht Ulm, vgl. Urteil v. 9. Juli 2021 – Az. 6 Ca 597/20.
Was bedeutet das für die Praxis?
Eine Anrechnung unterbleibt nach § 9 BurlG nur bei einer durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit. Bei einem Arbeitnehmer, der sich in Quarantäne befindet, aber nicht arbeitsunfähig erkrankt ist, rechtfertigt sich mangels planwidriger Regelungslücke keine analoge Anwendung des § 9 BUrlG.
Der Gesetzgeber macht mit dem eindeutigen Wortlaut des § 9 BUrlG klar, dass nur Urlaub und Krankheit einander ausschließen. Andere den Urlaubszweck gefährdende Ereignisse sind insoweit Teil des persönlichen Lebensschicksals des einzelnen Arbeitnehmers, vgl. BAG Urteil v. 9. August 1994 – 9 AZR 384/92. Auch kann der Erholungszweck des Urlaubs durchaus zuhause bzw. in Quarantäne erreicht werden. Eine Quarantäne – ohne Arbeitsunfähigkeit – steht dem Erholungszweck also nicht zwangsläufig entgegen.
Abweichungen von der allgemeinen Gefahrtragungsregel kommen nur in Betracht, soweit der Gesetzgeber oder die Tarifvertragsparteien besondere urlaubsrechtliche Normen wie § 9 BUrlG schaffen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.