Keine einseitige Kürzung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich!
Das BAG hat in seinem Urteil vom 19.05.2015 (AZ: 9 AZR 725/13) eine für die Praxis wichtige Entscheidung getroffen, die wir Ihnen wegen ihrer Bedeutung losgelöst von unseren Rundschreiben zur Kenntnis bringen wollen. Hiernach kann der Arbeitgeber eine Kürzungserklärung des Urlaubsanspruchs für jeden vollen Kalendermonat einer Elternzeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr einseitig abgeben.
Diese Entscheidung des BAG ist künftig in allen Fällen zu beachten, in denen ein/-e Arbeitnehmer/-in nach oder zum Ende der Elternzeit das Arbeitsverhältnis beendet.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG erwirbt der Arbeitnehmer grundsätzlich für die Dauer einer Elternzeit zunächst einen Urlaubsanspruch, der jedoch durch eine Kürzungsregelung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 gekürzt werden kann, es sei denn, der Arbeitnehmer/-in leistet während der Elternzeit bei seinem/ihrem Arbeitgeber Teilzeitarbeit.
Bisher gab es keine Vorgaben, was den Zeitpunkt oder die Formalitäten einer solchen Kürzung(serklärung) angeht. In der Praxis wurde die Kürzung(serklärung) auch oft nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorgenommen. Dies war nach der früheren Rechtsprechung auch wirksam.
Nach neuer Auffassung des BAG setzt die Regelung in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG jedoch voraus, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.
Fazit: Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses scheidet eine einseitige Kürzung des Urlaubs wegen Elternzeit durch den Arbeitgeber aus.
Wir halten die Entscheidung für falsch, zum einen, weil das Gesetz keine Erklärung für die gesetzlich vorgesehene Kürzung vorsieht, zum anderen deshalb, weil der Anspruch auf Urlaubsabgeltung dem Urlaubsanspruch akzessorisch ist, d.h. der Abgeltungsanspruch unterliegt denselben Voraussetzungen wie der Urlaubsanspruch selbst, kann dieser gekürzt werden, gilt dies auch für die Abgeltung.
Trotz dieser Kritik muss die Entscheidung künftig vom Arbeitgeber beachtet werden!
In unseren Arbeitsverträgen haben wir eine Ergänzung vorgenommen, ob dies allerdings rechtssicher die Kürzungsmöglichkeit auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eröffnet, ist offen. Die künftige Rechtsprechung wird es zeigen.
Tipp: Unbedingt vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitnehmer erklären (auch vor Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder während laufender Kündigungsfristen), dass der Jahresurlaub gemäß § 17 BEEG gekürzt wird:
„Für die in Anspruch genommene Elternzeit macht das Unternehmen von seinem Recht auf Kürzung des gesetzlichen und übergesetzlichen Erholungsurlaubs um 1/12 pro vollen Kalendermonat der Elternzeit gemäß § 17 BEEG bzw. entsprechender gesetzlicher Nachfolgeregelungen Gebrauch.“
Da es sich um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, trägt der Arbeitgeber im Streitfall die Beweislast für den Zugang der Erklärung. Lassen Sie sich den Empfang der Erklärung daher vom Arbeitnehmer bestätigen. Wenn dies nicht direkt möglich ist, beispielsweise weil der Arbeitnehmer während der Elternzeit ortsabwesend ist, sollten Sie die Erklärung per Einwurf-Einschreiben versenden und den Zugangsnachweis zur Personalakte nehmen.
Das BAG ließ die Frage offen, ob die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG enthaltene Kürzungsmöglichkeit insgesamt gegen das Europarecht verstößt, dies musste nicht entschieden werden.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.