Am 18.06.2021 ist das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) in Kraft getreten. Gibt es eine „Modernisierung“, wie die Bezeichnung es verspricht?

Bei dem Titel „Betriebsrätemodernisierungsgesetz“ (BRMG) könnte eine Modernisierung des Betriebsverfassungsgesetzes erwartet werden. Erstaunlicherweise werden aber Regelungen zur Virtualisierung der Betriebsratsarbeit, die sich in der Pandemie bewährt haben, nicht umfänglich übernommen, auch wird es mit dem BRMG keine Online-Betriebsratswahlen geben. Moderne Betriebsverfassung geht anders.

Vielmehr wurden neben der Ausdehnung des vereinfachten Wahlverfahrens bei der Betriebsrats- und JAV-Wahl und einem zusätzlichen besonderen Schutz von Initiatoren dieser Wahlen neue Beteiligungsrechte des Betriebsrats beim Einsatz von künstlicher Intelligenz oder bei der Durchführung mobiler Arbeit geschaffen, die jedoch zu neuen Rechtsunsicherheiten führen. Deutlich ist die Absicht erkennbar, die Errichtung von Mitarbeitervertretungen zu erleichtern und zu fördern.

Nachstehend werden nur einzelne Punkte hervorgehoben:

  • Erschwerung der Anfechtungsmöglichkeit der Betriebsratswahl – § 19 Abs. 3
    Die Anfechtung durch den Arbeitgeber ist ausgeschlossen, soweit sie darauf gestützt wird, dass die Wählerliste unrichtig ist und wenn diese Unrichtigkeit auf den Angaben des Arbeitgebers beruht.
  • Betriebsratssitzungen als Video- und Telefonkonferenzen unter bestimmten Voraussetzungen möglich – § 30 Abs. 2, 3
    Auch nach der neuen Regelung kann der Arbeitgeber die Durchführung der Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz nicht verlangen. Die Präsenzsitzung hat weiterhin Vorrang. Künftig gelten Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, als anwesend – § 33 Abs. 1 Satz 2
  • Wegfall der Altersgrenze für die JAV-Wahl und die Erweiterung der Wahlberechtigung – § 60 Abs. 1
    In Betrieben mit in der Regel mindestens 5 Arbeitnehmern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, werden Jugend- und Auszubildendenvertretungen gewählt. Die Altersgrenze von 25 Jahren für Auszubildende wurde gestrichen.
  • Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für Datenverarbeitung des Betriebsrats – § 79 a
    Der Arbeitgeber hat die Verantwortlichkeit, der Betriebsrat muss jedoch bei der Verarbeitung personenbezogener, teils sensibler Beschäftigtendaten die datenschutzrechtlichen Vorschriften ebenfalls einhalten. Es besteht eine gegenseitige Unterstützungspflicht, wobei das Gesetz die Pflichten nicht ausdrücklich geregelt hat. Die Gesetzesbegründung führt aus, dass die konkrete Ausgestaltung der Zusammenarbeit die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Betriebsrats gewährleisten und der Arbeitgeber gleichzeitig in der Lage sein muss, seinen Pflichten als Verantwortlicher nachzukommen.
  • Mitbestimmung bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit – § 87 Abs. 1 Nr. 14
    Hier handelt es sich in erster Linie um ein klarstellendes zusammenfassendes Mitbestimmungsrecht aus § 87 bezüglich der Ordnung des Betriebs, Beginn und Ende der betrieblichen Arbeitszeit, technische Überwachungseinrichtungen und Gesundheitsschutz. Dabei bezieht sich das Mitbestimmungsrecht auf die Ausgestaltung („Wie“) von mobiler Arbeit und nicht auf deren Einführung („Ob“). Das Mitbestimmungsrecht betrifft sowohl die regelmäßige, aber auch die anlassbezogene mobile Arbeit (z.B. kurzfristige Erkrankung eines Kindes). Es gibt kein Initiativrecht des Betriebsrats. Die Einigungsstelle soll entscheiden, wenn sich die Betriebsparteien nicht über die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit einigen können.
  • Unterrichtungsrecht bei Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz (KI) – § 90 Abs.1 Nr. 3
    Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Planung von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen einschließlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten.
  • Mitwirkungsrechte der Auswahlrichtlinien auch beim Einsatz von KI – § 95 Abs. 2 a
    Hier handelt es sich um eine Klarstellung, dass die Rechte des Betriebsrats gleichermaßen bei der Aufstellung von Richtlinien KI zum Einsatz kommen.
  • Klarstellung bei der außerordentlichen Kündigung im betriebsratslosen Betriebs – § 103 Abs. 2a
    Künftig muss in einem noch betriebsratslosen Betrieb vor einer außerordentlichen Kündigung von Personen mit Sonderkündigungsschutz (Wahlvorstand, Wahlbewerber) die Zustimmung des Arbeitsgerichts eingeholt werden.
  • Ausdehnung des Sonderkündigungsschutzes für Wahlinitiatoren, Vorfeldinitiatoren – § 15, 3a, Satz 1, 3b KSchG
    Der Kündigungsschutz beginnt schon bei Vorbereitungshandlungen für die Errichtung eines Betriebsrats durch jedes für Dritte erkennbare Verhalten (Gespräche mit Beschäftigten, Kontaktaufnahme zur Gewerkschaft), welches vor der Veröffentlichung des Einladungsschreibens zu einer Wahlversammlung für die Gründung eines Betriebsrats durchgeführt wird. Voraussetzung ist eine vom Notar beglaubigte Absichtserklärung des Mitarbeiters, dass er die Absicht habe, einen Betriebsrat zu errichten.
  • Erweiterung des Unfallversicherungsschutzes bei Homeoffice/mobiler Arbeit – § 8 Abs. 1,2 Nr. 2a SGB 7

 

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