Der Equal Pay Grundsatz setzt der Privatautonomie im Arbeitsrecht Grenzen – doch wo beginnen und wo enden diese für den Arbeitgeber?

Bereits zu Beginn des Jahres hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zwei bedeutende Entscheidungen hinsichtlich eines möglichen Anspruchs auf Entgeltgleichheit getroffen. Hierbei wurde jeweils festgestellt, in welchen Fällen ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. gegen das Entgelttransparenzgesetz besteht und nicht mehr gerechtfertigt werden kann.

Urteil des BAG vom 18. Januar 2023:

Im Januar hat das BAG festgestellt, dass eine Teilzeitkraft grundsätzlich Anspruch auf denselben Stundenlohn hat wie eine Vollzeitkraft, wenn sie die gleichen Tätigkeiten ausüben und hierfür die gleichen Qualifikationen aufweisen können. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass eine unterschiedliche Vergütung grundsätzlich möglich ist, wenn die Vollzeitkraft höhere Qualifikationen für die Ausübung der Tätigkeit vorzeigen kann, als die Teilzeitkraft. Notwendig ist stets ein sachlicher Differenzierungsgrund. Weitere Ausführungen zu dieser Entscheidung gibt es im bereits erschienen Artikel hier.

Urteil des BAG vom 16. Februar 2023:

Kurz darauf kam es zu einer weiteren Entscheidung des BAG, welche sich mit der Entgeltgleichheit von Männern und Frauen befasste. Geklagt hatte eine im Vertrieb beschäftigte Außendienstmitarbeiterin, welche im Vergleich zu ihrem männlichen Kollegen auf derselben Position weniger verdiente. Sie verlangte die Zahlung der monatlichen Differenzbeträge sowie einer einmaligen Entschädigung.

Als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb eines Unternehmens der Metall- und Elektroindustrie verdiente die Klägerin zu Beginn 3.500 Euro brutto. Neben der Klägerin war als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb ein weiterer männlicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auch diesem Arbeitnehmer hatte die Beklagte ein Grundgehalt von 3.500 Euro brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verhandelte mit der Beklagten stattdessen eine höhere Grundvergütung von 4.500 Euro brutto. Dem Mitarbeiter wurde zudem in Aussicht gestellt, als Ersatz für eine ausscheidende, besser bezahlte Kollegin tätig werden zu können.

Die Vorinstanzen sahen in dieser Konstellation keinen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Es hätte danach ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht der Klägerin zu deren ungünstigeren Behandlung geführt. Dem widersprach nun das Bundesarbeitsgericht. Nach dessen Auffassung hat die Arbeitnehmerin einen Anspruch auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für dieselbe Arbeit ein geringeres Grundentgelt erhalten hat als der Arbeitnehmer, begründe die Vermutung, dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfolgt ist. Diese Vermutung habe die Beklagte nicht widerlegen können. Insbesondere könne sie sich nicht darauf berufen, dass das höhere Grundentgelt des Mannes nicht auf dessen Geschlecht, sondern ausschließlich darauf beruhe, dass dieser ein höheres Gehalt ausgehandelt habe oder er einer besser vergüteten ausgeschiedenen Mitarbeiterin nachgefolgt sei. Im Ergebnis hat das BAG damit klargestellt, dass allein das Verhandlungsgeschick von Bewerbern keine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung rechtfertigt.

Rechtsfolge für die Praxis:

Hervorzuheben ist, dass eine unterschiedlich hohe Vergütung zwischen Männern und Frauen weiter möglich bleibt. Die Voraussetzungen hierfür wurden vom BAG jetzt aber weiter konkretisiert. Danach ist eine Ungleichbehandlung nicht mehr gerechtfertigt, wenn die Differenzierung der Entlohnung ausschließlich auf dem besseren Verhandlungsgeschick des einen Geschlechts beruht. Folge ist dann ein Anspruch auf das gleiche Entgelt sowie unter Umständen auf eine Entschädigung. Eine Differenzierung in Bezug auf die Entgelthöhe ist hingegen immer dann gerechtfertigt und damit zulässig, wenn sie objektiv und geschlechtsneutral begründet ist. Beispielhafte Aufzählungen für eine sachliche Differenzierung sind nach dem Entgelttransparenzgesetz alle arbeitsmarktbezogenen, arbeitsergebnisbezogenen und leistungsbezogenen Kriterien (§ 3 III 2 EntgTranspG).

Die Eignung als Rechtfertigung wurde für die folgenden Punkte bereits anerkannt:

  • Hohe Qualifikation (soweit für Arbeitsplatz erforderlich)
  • Bereitschaft zur Versetzung und zum Leisten von Überstunden
  • Mangel an Bewerbern mit bestimmter Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt
  • Betriebszugehörigkeitsdauer/Dienstalter (da größere Berufserfahrung in der Regel bessere Arbeitsleistung zur Folge hat)

Als ungeeignet sah die Rechtsprechung folgende Punkte an:

  • Allgemeine Aussage über ganze Arbeitnehmergruppen wie z. B. geringe betriebliche Verbundenheit oder geringere Arbeitsmotivation von Teilzeitkräften
  • Haushaltserwägungen oder Sparzwänge

Praxistipp:

Dokumentieren Sie objektive Differenzierungskriterien bei unterschiedlich hoher Vergütung für vergleichbare Beschäftigte unterschiedlichen Geschlechts. Diese sollten sich nicht allein in einem unterschiedlichen Ergebnis der individuellen Gehaltsverhandlungen erschöpfen. Andernfalls ist eine Gleichbehandlung durch Anpassung der Vergütung nach oben erforderlich. Liegen objektive Differenzierungsgründe vor, können Sie grundsätzlich auch bei verschiedenen Geschlechtern unterschiedlich vergüten.

 

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verwenden wir die männliche Form.
Wir meinen immer alle Geschlechter im Sinne der Gleichbehandlung.